Vom Himmel hoch, da komm ich her18

 

20201211 124834Bild und Text: Thomas ReuterLenchen steht vor mir und zappelt. Etwas treibt sie um. Also hebe ich sie empor und setze sie auf meine Knie.

„Nun, mein liebes Mädchen, was bekümmert dich?“

Lenchen schüttelt ihren Lockenkopf. „Nichts, Vater. Es ist nur…“

Lenchen kann schon erste Buchstaben malen und einfache Wörter lesen. Wie klug sie ist! Wie sehne ich mich, dass auch Mädchen die Stadtschule besuchen und Latein lernen dürfen.

An diesem Weihnachtsfest wird Lenchen beim Krippenspiel zum ersten Mal als Engellein den Hirten die frohe Botschaft verkündigen. „Was hast du auf dem Herzen, mein Sonnenschein? Sag es frei heraus.“

„Wir Engel brauchen noch ein Lied, Vater. Wir wollen singen.“ Sie schaut mich an und klimpert mit ihren Äuglein. „Ihr habt doch schon so viele Lieder erdacht. Dichtet Ihr auch eins für uns?“

Freilich kann ich meinem Lenchen nichts abschlagen. Ein Lied für die kleinen Engelchen, das könnte eine ordentliche Aufgabe für mich sein. Frisch ans Werk!

Ich lass die Engel selbst erzählen. Davon, dass der Heiland geboren ist und uns Seligkeit bringt. Dass er uns Sünder nicht verschmäht. Dass Macht, Ehr und Gut bei ihm nichts gelten. Dass Gott uns seinen Sohn sendet und wir uns des freuen und fröhlich springen können. Und all das auf eine Weise, dass Lenchen und all die anderen Engel es auch ermessen können.

Oh, nun ist mein Liedlein doch recht lang geworden. Fünfzehn Verse. Aber sooft ich auch darüber schaue – es lässt sich nichts verkürzen oder gar streichen. Da müssen halt die Hirten heuer ein wenig rascher gen Bethlehem laufen.

„Lenchen, mein Schatz, komm zu mir! Ich hab das Engellied verfasst. Hör zu, ich will dir´s vortragen. Und dann wollen wir´s gemeinsam singen: Vom Himmel hoch, da komm ich her...“


Martin Luther schrieb das Lied, das wir im Gesangbuch unter Nr. 24 finden, tatsächlich für ein Krippenspiel in der Wittenberger Stadtkirche. Zum ersten Mal erklungen ist es wohl 1529. Da war seine Tochter Magdalena sechs Jahre alt. In dem Lied hat Luther seine reformatorische Erkenntnis kindgerecht aufbereitet: Gott selbst hat sich auf den Weg zu den Menschen gemacht.

 

Ein paar Anmerkungen:

Strophe 1: „Mär“ heißt Nachricht oder Erzählung. Wir benutzen eigentlich nur die Verkleinerungsform „Märchen“.

Strophe 13 wurde zu einem beliebten Gute-Nacht-Gebet am Bett der Kinder.

Strophe 14: „Susaninne“ ist eine alte Bezeichnung für ein Wiegenlied.

Strophe 15: Wie jeder Psalm endet auch Luthers Kinderlied mit dem Lob Gottes.

Für die Reformatoren war Bildung ausgesprochen wichtig. Sie gründeten Stadt- und Fürstenschulen, und auch für Mädchen wurde Schulbildung möglich. Federführend hierbei war Luthers Freund Philipp Melanchthon, der „Praeceptor Germaniae“ („Lehrer Deutschlands“).

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